icon / home icon / small arrow right / light News icon / small arrow right / light Kleinlumige Gefäßprothesen aus der humanen Plazenta
30 Nov 2016 von LBG

Kleinlumige Gefäßprothesen aus der humanen Plazenta

Studie zur Herstellung und Charakterisierung geeigneter kleinlumiger Gefäßprothesen aus der humanen Plazenta

Von Karl Heinrich Schneider

Gewinner des Best Abstract Award der Ludwig Boltzmann Gesellschaft

Wien, 29. November 2016. Kardiovaskuläre Erkrankungen stellen weltweit die häufigste Todesursache dar. In Österreich waren laut Statistik Austria im Jahr 2015 42,8 Prozent aller Todesfälle darauf zurückzuführen. Die Mehrzahl der kardiovaskulären Erkrankungen beruht auf Veränderung arterieller Blutgefäße mit kleinerem Durchmesser (Arteriosklerose). Je nach Lokalisation bzw Blutversorgung kommt es bei einem Verschluss zu unterschiedlichen Symptomen (Myokardinfarkt, periphere arterielle Verschlusskrankheit, Schlaganfall). Bei rechtzeitiger Diagnose können diese Herz-Kreislauf-Erkrankungen dank innovativer Medizintechnik heute sehr effizient behandelt werden. Die Behandlung erfolgt meistens interventionell, dh durch Aufdehnung der verschlossenen Gefäße mittels Ballondilatation und anschließender Stentsetzung, oder das betroffene Gefäßsegment muss durch ein chirurgisches Verfahren ersetzt werden. Derzeit werden bevorzugt patienteneigene Gefäße (Arterien, Venen) als Gefäßersatz herangezogen, da sie die besten Langzeitergebnisse zeigen. Oft sind diese Gefäße aber nur begrenzt verfügbar, da die Patienten andere Krankheiten aufweisen oder schon voroperiert sind. Um dieser Limitierung entgegenzuwirken, wird an der Entwicklung alternativer Ersatzmaterialien geforscht.

Synthetische Materialen werden bereits erfolgreich als Gefäßprothesen für großlumige Gefäße eingesetzt. Leider gibt es trotz Jahrzehnten intensiver Forschungstätigkeit im kardiovaskulären Implantatbereich noch kein synthetisches Produkt das für den kleinlumigen Gefäßersatz (4-6 mm Innendurchmesser), das langfristig zufriedenstellende Ergebnisse zeigt. Gründe dafür sind vor allem die Thrombogenität der Materialien bzw Unterschiede in der Biomechanik von Gefäßprothese und Aufnahmegefäß.

Durch begrenzte Verfügbarkeit körpereigener Gewebe und die derzeit unzureichende Biokompatibilität synthetischer Materialien ist die Entwicklung neuer, biokompatibler Prothesenmaterialien dringend erforderlich. In Kooperation mit unseren wissenschaftlichen Partnern untersuchen wir die Anwendung verschiedener Materialien und Herstellungsverfahren. Ein Schwerpunkt unserer Forschung ist die Entwicklung abbaubarer Implantate, die durch körpereigenes Gewebe ersetzt werden bis eine neue funktionale Gewebsstruktur entstanden ist. Neben der Anwendung von neuen Kunststoffen haben wir in früheren Arbeiten auch die Verwendung von Blutgefäßen menschlichen (allogene Materialien) oder tierischen (xenogene Materialien) Ursprungs zur Herstellung von Gefäßprothesen untersucht. Diese sogenannten Matrixprothesen werden durch verschiedene chemische Verfahren so behandelt, dass sämtliche Zellen der Gefäßwand entfernt werden und die verbleibende Struktur kein immunogenes Potential mehr aufweist. Mann nennt das Dezellularisation. Nach der Implantation wird die zellfreie Matrix mit Zellen des Patienten wiederbesiedelt und das Implantat in ein funktionelles, neues Gefäß umgebaut. Bisher verwendete Spendergefäße sind aber begrenzt verfügbar (humaner Organspender) oder weisen eine Restimmunogenität auf (tierische Materialien). Tierische Produkte können mit mikrobiellen Agenzien kontaminiert sein die schwer nachweisbar sind (Prionen).

Die hier beschriebene Studie betrifft die Entwicklung kleinlumiger Gefäßprothesen aus der humanen Plazenta und ihre Charakterisierung. Die humane Plazenta besteht aus einem ausgeprägten Gefäßsystem, das zur Gewinnung der Spendergefäße herangezogen wird.

Durch einen Dezellularisationsprozess werden gewebespezifischen Zellen aus der Gefäßstruktur entfernt um mögliche Abstoßungsreaktionen zu verhindern. Durch die Verwendung eines gewebsschonenden Verfahrens soll die Grundstruktur der natürlichen Blutgefäße besser erhalten bleiben (Extrazelluläre Matrix). Die Implantate weisen nach Entfernung sämtlicher Zellen durch verschiedene chemische Verfahren eine Prothesenwand aus extrazellulärer Matrix auf, die hinsichtlich ihrer biomechanischen Attribute, der natürlichen Gefäßwand sehr ähnlich ist. Durch eine strukturelle Modifikation mittels UV induzierter Quervernetzung der freiliegenden Kollagenstrukturen, sowie der Bindung von Heparin an die innere Prothesenoberfläche werden die Hämokompatibilität und die mechanischen Eigenschaften des Implantats verbessert.

Die hergestellten Gefäßprothesen wurden in in-vitro Studien und in einer präklinischen Pilotstudie getestet. Die Prothesen wurden hinsichtlich Biomechanik, Biokompatibilität und dem Grad einer möglichen Immunreaktion getestet. Unsere bisherigen Ergebnisse unterstreichen das Potential von humanem Plazentagewebe als eine Alternative für den kleinlumigen Gefäßersatz. In zukünftigen Studien soll das Material noch genauer charakterisiert werden. Die biologischen Eigenschaften sollen in Langzeitstudien getestet werden, sowie ihre genaue Molekulare Zusammensetzung bestimmt. Natürliche Gewebe werden auch in Zukunft als Biomaterialien eine wichtige Rolle in der regenerativen Medizin spielen.

Alle Gewinner und Fotos

www.lbg.ac.at/de/themen/best-abstract-award-2016

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