„Man kann keine klinische Forschung betreiben, wenn man keinen Kontakt zu Patientinnen und Patienten hat.“
Die Lungenfachärztin Marie-Kathrin Breyer forscht seit über zehn Jahren an COPD, der dritthäufigsten Todesursache der Welt. Jetzt übernimmt sie die Leitung des Ludwig Boltzmann Instituts für Lungengesundheit. Was ihr wichtig ist, welche Ziele sie für das Institut hat, und wieso es sich mit Respekt und Augenhöhe besser forscht, erklärt Breyer im Portrait.
Den Ärztekittel trägt die Lungenspezialistin heute nicht. Dunkelblau ist die Farbe des Tages: Der Hosenanzug, die Bluse, alles Ton in Ton. Marie-Kathrin Breyer ist die neue Leiterin des Ludwig Boltzmann Instituts für Lungengesundheit in der Klinik Penzing. Ob ihre Titel ausgeschrieben werden und alle gut sichtbar sind, wenn sie als Abteilungsvorständin in der Abteilung für Atemwegs- und Lungenkrankheiten in der Klinik unterwegs ist, ist ihr nicht wichtig. Als ob das für die Patient:innen etwas bedeute, sagt sie lachend. Darauf käme es wirklich nicht an.
Worauf es ankommt, und jetzt ändert sich Breyers Tonfall, ist, dass ihre Arbeit an der Lungenforschung weitergehen kann. Das Herzstück des Ludwig Boltzmann Instituts für Lungengesundheit ist die LEAD-Studie (Lung, hEart, sociAl, boDy), eine Longitudinalstudie zur Erforschung der Lungengesundheit. Seit bald 12 Jahren werden dieselben 16.000 Wiener:innen im Alter zwischen sechs und 80 Jahren alle vier Jahre zu einer gründlichen Untersuchung ins LBI an der Klinik Penzing eingeladen. 14 Mitarbeiter:innen sind durchgehend mit der Studie beschäftigt.
Weit über 100 Publikationen zählt das Institut seit seiner Gründung, darunter viele Studien mit internationalen Kooperationspartnern. Breyer selbst ist seit 2005 für das LBI tätig. Sie begann als Study Nurse, wurde Studienkoordinatorin und Junior Researcher, später Senior Researcher. 2012 war sie eines der Gründungsmitglieder der LEAD-Studie.
In der Studie wird unter anderem die chronisch-entzündliche Lungenkrankheit COPD (chronic obstructive pulmonary disease) beforscht: „COPD ist die dritthäufigste Todesursache der Welt“, erklärt Breyer. „Das ist also eine Erkrankung, die sehr oft auftritt und die auch bei Österreicherinnen und Österreichern häufig zum Tod führt.“
Seit 1. Jänner 2024 leitet Breyer nun das Ludwig Boltzmann Institut für Lungengesundheit. Ihre neue Funktion werde sie nicht davon abhalten, zu forschen und zu publizieren, sagt sie. Denn Breyer sieht sich nicht nur als Wegbereiterin für die Forschenden in ihrem Institut, sondern auch als treibende Kraft hinter den Forschungsinhalten. „Man kann keine klinische Forschung betreiben, wenn man keinen Kontakt zu Patientinnen und Patienten hat.“ From bench to bedside also. Das LBI verbindet die Klinik mit der Wissenschaft. Nur so könne gewähreistet werden, dass auch beforscht wird, was Patient:innen am meisten brauchen, sagt Breyer.
Die internationale Kompetenz des Instituts will sie mit der LEAD-Studie in den kommenden Jahren weiter ausbauen. Mit Partneruniversitäten und Instituten im In- und Ausland ist sie in engem Austausch: „Das wird immer mehr. Wir können mit unseren Studien nicht alles abdecken, liefern aber wichtige Daten, die auch für Partnerinstitute interessant sind. Netzwerke sind in der Wissenschaft das Um und Auf.“
In ihrer Leitungsrolle des Ludwig Boltzmann Instituts für Lungengesundheit sieht sich Breyer außerdem in der Verantwortung, das Thema Prävention noch höher auf die Agenda der Politik zu bringen. Das Schlagwort sollte schon lange Lungengesundheit, nicht Lungenerkrankung sein: „Über Gesundheit können wir nicht erst reden, wenn die Leute krank werden“, betont Breyer. Der Weg gehe in die richtige Richtung. Internationale Vorbilder seien Großbritannien und Skandinavien, deren Fokus auf Prävention sich mittlerweile bezahlt mache. Dort zeigt sich, wie wichtig es ist, vorausschauende Gesundheitspolitik zu machen und die Bevölkerung als aktiven Part schon im Kindergarten mit an Bord zu holen.
Um auch zu einem Best Practice-Land zu werden, braucht es mehr Verständnis für die Wichtigkeit von Vorbeugung, damit es gar nicht erst zu Lungenerkrankungen kommt. Das ist schwierig, denn präventive Maßnahmen zeigen oft erst nach Jahren erste Erfolge – sowohl auf gesundheitlicher, als auch auf Kostenebene für die Krankenkassen und damit die Steuerzahler:innen. Und doch sieht Breyer in der Prävention eine zentrale Herausforderung für den Bereich der Lungengesundheit in den kommenden Jahren: „Die LEAD-Studie zeigt ganz deutlich, wie wichtig Lifestyle-Faktoren wie Ernährung und Bewegung sind.“ Beinahe jedes zehnte Kind zwischen sechs und 15 Jahren ist prädiabetisch. Und trotzdem klopft Breyer mit ihrem Team selbst in den Direktionsbüros der Wiener Schulen an, um bei den Kindern für Aufklärung zu sorgen.
Um für mehr Bewusstsein für Lungengesundheit zu sorgen, will sie einerseits die Kommunikationsbemühungen des Instituts verstärken und andererseits bei Forschungsförderungen am Ball bleiben, um Forschungs- und Kommunikationsressourcen zur Verfügung zu haben.
Leadership zeigt Breyer nicht nur beim Umlegen ihrer Forschungsergebnisse in handfeste Maßnahmen wie dem Auftreten in Schulen. Als Abteilungsvorständin und vormals Oberärztin und Research Group Lead bringt die Lungenspezialistin viel Erfahrung im Führen von Teams mit. Das wichtigste daran? „Augenhöhe“, sagt sie. „Ich kenne in der Klinik jeden beim Namen. Von den Physios bis zur Pflege- und Reinigungskraft. Wir arbeiten mit vielen Professionen zusammen. Nur wenn wir alle gut miteinander kommunizieren, haben am Ende auch die Patientinnen und Patienten etwas davon.“
Von rigiden Strukturen hält Breyer nicht viel, sie setzt lieber auf Flexibilität: Forschung sei auch ein kreativer Prozess. Menschen sollten deshalb so arbeiten, dass sie ihr Leistungspotenzial optimal ausschöpfen können: „Man kann nicht immer auf Knopfdruck um 10 Uhr im Meeting die kreativste Forschungsidee haben.“
Ideen zu neuen Forschungen und Projekten hat Breyer bereits einige. Noch seien diese aber noch nicht spruchreif. In diesem Sinne: To be continued.