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25 März 2025 von Ludwig Boltzmann

Klinische Forschungsgruppe MOTION: „Wir brauchen dringend neue Therapieformen.“

Prof. Doz. Dr. Thomas Reiberger fokussiert sich in seiner wissenschaftlichen und klinischen Tätigkeit an der Klinischen Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie auf die Entwicklung und Verbesserung von Methoden zur Diagnostik, Prognoseabschätzung und Therapie bei chronischen Lebererkrankungen.

Seit 1.10.2023 leitet er die Klinische Forschungsgruppe (KFG) MOTION der Ludwig Boltzmann Gesellschaft. Im Interview verrät er, welche Ziele sein Team verfolgt, warum man dringend neue Therapieformen für Pfortaderhochdruck braucht und welche Probleme sich im klinischen Alltag auftun.

Woran forscht die KFG MOTION?

Reiberger: Die von der Ludwig Boltzmann Gesellschaft geförderte klinische Forschungsgruppe MOTION beschäftigt sich mit Lebererkrankungen, insbesondere dem Krankheitsbild des Pfortaderhochdrucks. Im Speziellen fokussieren wir uns auf die Mechanismen, die die portale Hypertension auslösen und die dadurch entstehenden Komplikationen. Wir untersuchen die Krankheitsbilder und forschen nach effektiven Lösungen zur Therapie.

Wie kann man sich Pfortaderhochdruck konkret vorstellen?

Reiberger: Die Pfortader ist ein Gefäß, welches das Blut aus den Bauchorganen – etwa dem Magen, dem Darm und der Speiseröhre – sammelt, und zur Leber transportiert. Wenn die Leber krank ist, kann das Blut allerdings nicht gut durchfließen und staut sich in Folge wie in einem Schlauch – in diesem Fall in der Pfortader. Wenn der Druck schließlich über die Normwerte ansteigt, sprechen wir von portaler Hypertension – dem Pfortaderhochddruck.

Welche Gründe gibt es, die zu einer Erkrankung der Leber führen?

Reiberger: Dafür gibt es eine Vielzahl an Ursachen. Häufig führt etwa übermäßiger Alkoholkonsum zu einer Vernarbung der Leber. Aber auch Hepatitisviren, Diabetes oder andere Stoffwechselerkrankungen können die Leber stark beschädigen.

Des Weiteren gibt es auch vaskuläre Erkrankungen in der Leber. Hier sind in erster Linie die Blutgefäße des Organs betroffen, ohne dass das Lebergewebe selbst einen Schaden nimmt.

Was ist das Herzstück Ihrer klinischen Forschungsgruppe?

Reiberger: Das sind unsere drei klinische Studien, in denen wir Patient:innen mit unterschiedlichen Lebererkrankungen behandeln. Die erste Studie betrifft Patient:innen mit kompensierter (früher) Leberzirrhose. Die zweite Studie betrifft  Patient:innen mit dekompensierter Leberzirrhose – hier ist das Krankheitsbild schon weiter fortgeschritten. Die dritte Studie fokussiert auf Patient:innen  mit vaskulären Lebererkrankungen. Hier entsteht der Pfortaderhochdruck durch den vermehrten Gefäßwiderstand. Diese drei Gruppen werden in drei nach internationalen Standards durchgeführten klinischen Studien im Rahmen der klinischen Forschungsgruppe untersucht.

Was unterscheidet MOTION von anderen Forschungsgruppen?

Reiberger: Der grundlegende Unterschied unserer klinischen Forschungsgruppe ist, dass wir Therapieansätze für die portale Hypertension verfolgen, die nicht auf die Grunderkrankung der Leber fokussiert sind, sondern auf Mechanismen abzielen, die bei allen Lebererkrankungen auftreten.

Warum ist das so wichtig?

Reiberger: Während wir Therapien für eine Virus-Hepatitis-Infektionen haben, oder wir bei Alkoholmissbrauch auch Maßnahmen ergreifen können, die zur Abstinenz führen, gibt es keine Therapie, die über alle Lebererkrankungen hinweg den Pfortaderhochdruck verbessert. Genau dafür erforschen wir nun neue Mechanismen und Möglichkeiten – völlig unabhängig davon, wodurch die Lebererkrankung überhaupt aufgetreten ist.

Obwohl bereits seit Jahren an der portalen Hypertension geforscht wird, haben wir gegenwärtig nur eine einzige medikamentöse Therapie zur Verfügung. Das sind die nicht selektiven Betablocker, die wir allerdings bereits seit den 80er Jahren verwenden. Das zeigt schon sehr deutlich, dass wir dringend neue Therapien brauchen. Gerade diese Betablocker senken lediglich bei circa 50 Prozent der Patient:innen den Pfortaderdruck.

Inwiefern spielt Interdisziplinarität in der Forschungsgruppe eine Rolle?

Reiberger: Ich bin überzeugt davon, dass sie ein – oder sogar DER – Schlüssel zum Erfolg sein kann. Ohne die verschiedenen Blickwinkel aus anderen Disziplinen würden wertvolle Erfahrungen unentdeckt bleiben. Wir kooperieren in der klinischen Forschungsgruppe sehr eng mit der Radiologie, der Anästhesie und Intensivmedizin, die sich bereits seit mehreren Jahren mit Blutgerinnungsstörungen, die bei Lebererkrankungen sehr prominent auftreten, beschäftigen.

Des Weiteren haben wir auch noch Grundlagenwissenschaftler:innen, die spezielle Expertise im Bereich der Blutgefäße haben. Das erlaubt es uns, alle diese interdisziplinären Blickwinkel zusammenzuführen, um die Mechanismen, die letztendlich zu neuen Therapien für die portale Hypertension führen sollen, ganz genau erforschen.

Welche größeren Herausforderungen ergeben sich bei Ihrer Arbeit?

Reiberger: Die klinische Forschungsgruppe ist natürlich auch vor Herausforderungen gestanden. Wir behandeln hier Patient:innen mit teilweise sehr schweren Lebererkrankungen. Da ist es natürlich sehr wichtig, die Sicherheit der Patient:innen in den Vordergrund zu stellen. Wir haben durch die Kooperationen mit anderen Abteilungen schon große Erfahrungen mit der Behandlung dieser Patient:innen sammeln können.

Die auf Patient:innensicherheit ausgelegten Studienprotokolle konnten wir im ersten Jahr erfolgreich ausarbeiten und bei den Behörden einreichen und sind nun startklar, um die ersten Patient:innen zu inkludieren.

Und im Alltag?

Reiberger: Das Schöne und gleichzeitig auch die tägliche Herausforderung ist die Zusammenarbeit mit den Patient:innen  und Kolleg:innen. Wir haben hier ein gutes Setting, wo wir speziell gefördertes Personal zur Verfügung haben, um diese klinischen Studien durchführen zu können.

Gleichzeitig haben diese Patient:innen eventuell auch akute Probleme und man muss mit der Planung, der Logistik und auch mit der Administration durchaus eine relevante Zeit mit der Lösung bzw. Behandlung dieser verbringen. Insgesamt bin ich davon überzeugt, dass das Motiv, nämlich die Therapiediagnostik der Patient:innen zu verbessern, die Motivation der klinischen Forschungsgruppe so hochhält, dass wir das über die gesamte Laufzeit die geplanten Forschungsziele erfolgreich erreichen werden.