Laufende Klinische Forschungsgruppen
Die laufenden KFG im Überblick: Innovativ, patientenorientiert und lebensrettend
Nach einer umfassenden Ausschreibung und 44 eingereichten Anträgen wurden 2023 die ersten drei Gruppen „Austrian Digital Heart Program“, „MOTION“ und „ATTRACT“ von einer international hochkarätigen Expert:innen-Kommission unter dem Vorsitz von Prof. Lieselotte Højgaard, Professorin für Medizin und Technologie an der Universität Kopenhagen, Dänemark, sowie Leiterin der Abteilung für klinische Physiologie, Nuklearmedizin und PET am dänischen Rigshospitalet ausgewählt.
Das von der LBG ins Leben gerufene Förderprogramm Klinische Forschungsgruppen KFG ist Österreichs erste kollaborative Forschungsinitiative mit klarem Fokus auf patientenorientierten, medizinisch relevanten Themen im Gebiet der nicht-kommerziellen klinischen Forschung.
Personalized targeted glioblastoma therapies by ex vivo drug screening:
Advanced brain Tumour TheRApy Clinical Trial, „ATTRACT“
Start: Oktober 2023
Forschungsgebiet: Personalisierte Präzisionsmedizin in der Onkologie
Lead Institution: Medizinische Universität Wien
Partnerinstitutionen: CBmed GmbH, Medizinische Universität Graz, Kepler Universitätsklinikum/Johannes Kepler Universität, Karl Landsteiner Universität für Gesundheitswissenschaften, Medizinische Universität Innsbruck, Danube Private University, Austrian Institute of Technology (AIT)
Head: Assoc.-Prof. PD Dr. Anna Sophie Berghoff
Mentor: Univ.-Prof. Dr. Matthias Preusser
Deputy Head: DDr. Maximilian Mair
Glioblastome sind die häufigsten malignen Hirntumoren bei Erwachsenen und durch eine schlechte Prognose und hohe Symptomlast charakterisiert. Trotz intensiver Forschung konnten keine therapeutischen Durchbrüche erzielt werden. Dies liegt anderem daran, dass die meisten Wirkstoffe nur begrenzt ins Gehirn gelangen und gängige Therapien oft nur wenig Wirkung zeigen. Bei ungefähr 60-70% der Glioblastome ist der Promotor des O6-Methylguanin-Methyltransferase (MGMT) Gens 7 unmethyliert, was zu besonders schlechtem Ansprechen auf Chemotherapie und eingeschränktem Überleben führt. Daher ist die Entwicklung individualisierter Therapieansätze auf Basis der Tumorbiologie dringend notwendig. ATTRACT zielt darauf ab, das Konzept funktionaler Präzisionsmedizin zu etablieren und somit Patienten eine maßgeschneiderte Therapie zu ermöglichen. Das Projekt wird durch ein interdisziplinäres, österreichweites Konsortium ermöglicht, das auf der langjährigen Expertise neuroonkologischer Zentren sowie grundlagenwissenschaftlicher und translationaler Forschungsinstitutionen aufbaut. Den ersten Schritt bildet der Aufbau einer österreichweiten Biobank für Glioblastome (GlioBank). Hierbei sind fünf klinische Zentren (Wien, Graz, St. Pölten, Linz, Innsbruck) beteiligt, welche Patient:innen einschließen und Probenmaterial sammeln. Insgesamt sollen etwa 600 Patient:innen (Alter ≥18 Jahre, radiologischer Verdacht auf Glioblastom) über einen Zeitraum von 4 Jahren in diese Biobank inkludiert werden, von denen zum Zeitpunkt der Diagnose Tumorgewebe, Blut und Stuhl gesammelt werden. Anschließend werden frische Tumorproben verwendet, um Tumorzellen „ex vivo“ zu kultivieren. Diese sog. „patient-derived tumour cells“ (PDCs) werden für eine Medikamententestungs-Plattform verwendet, bei der der antitumorale Effekt von verschiedenen Wirkstoffen überprüft werden soll. Sofern genug Gewebe verfügbar ist, werden weitere Tumorproben im jeweiligen klinischen Zentrum lokal für weitere Forschung aufbewahrt. Der Nutzen dieses Ansatzes wird in einer klinischen Studie untersucht, bei der 240 Erwachsene mit neu diagnostiziertem Glioblastom (MGMT-Promotor-unmethyliert) eingeschlossen werden. Diese werden zufällig einer Vergleichsgruppe (routinemäßige diagnostische Aufarbeitung des Gewebes) oder der experimentellen Gruppe (zusätzlich PDC-basierte Medikamententestung) zugeteilt. Auf Grundlage dieser Analysen wird von einem Expertengremium (sog. „molekulares Tumorboard“), bei welcher auch das behandelnde ärztliche Personal beteiligt ist, eine personalisierte Therapieempfehlung festgelegt. Anschließend wird diese Therapieempfehlung mit den Patient:innen individuell diskutiert, wobei eine experimentelle Therapie im Rahmen eines individuellen Heilversuchs angeboten werden kann. Durch die aufgebaute Biobank sollen anschließend Therapieansprechen und -resistenz mittels molekularbiologischer Methoden an PDCs und Tumorgewebeproben untersucht werden. Unter Einbeziehung des gesammelten Materials sowie radiologischen Daten werden die Ergebnisse mit klinischen Informationen korreliert. Eine integrative Datenanalyse, welche auch auf Methoden künstlicher Intelligenz basiert, soll die Identifizierung von neuen Biomarkern ermöglichen.
Austrian Digital Atrial Fibrillation Screening and Intervention Program – „Austrian Digital Heart Program“
Start: Oktober 2023
Forschungsgebiet: Vorhofflimmern
Lead Institution: Medizinische Universität Innsbruck
Partnerinstitutionen: Austrian Institute of Technology (AIT), Medizinische Universität Graz, UMIT Tirol
Head: Ass. Prof. Priv.-Doz. Dr. Sebastian Reinstadler, PhD
Mentor: Univ.-Prof. Dr. Axel Bauer
Deputy Head: Dr. Michael Schreinlechner
Kontakt: vasb@chyfxbagebyyr.ng
Vorhofflimmern (VHF) ist die häufigste Herzrhythmusstörung und betrifft rund 1-2 % der Bevölkerung, wobei die Prävalenz mit steigendem Alter zunimmt. Ein unerkanntes und unbehandeltes Vorhofflimmern kann schwerwiegende Folgen haben, beispielsweise Herzinsuffizienz und Schlaganfälle.
Digitale Geräte wie Smartphones und Smartwatches ermöglichen es bereits heute, Puls und Herzrhythmus zu überprüfen. Werden diese Technologien systematisch verwendet, können sie als Screeningtool zur Früherkennung von Vorhofflimmern dienen. In Kombination mit einer angemessenen medizinischen Begleitung hat das Screening das Potenzial, die durch VHF bedingte Morbidität und Mortalität erheblich zu verringern.
Das Austrian Digital Heart Program will diesen Ansatz zur Früherkennung von VHF österreichweit implementieren. Ziel ist die Entwicklung einer Smartphone-basierten Screeningstragie für VHF und einer digitalen medizinischen Begleitung, unter wissenschaftlicher Leitung der Medizinischen Universität Innsbruck und in enger Zusammenarbeit mit der Medizinischen Universität Graz, der UMIT Tirol und dem Austrian Institute of Technology.
Interessierte Personen ab dem Alter ab 65 Jahren werden eingeladen, die eigens entwickelte Studien-App „Pulskontrolle“ zu nutzen und regelmäßig kurze Pulsmessungen durchzuführen. Durch Gesundheitstipps und personalisiertes Feedback zu den Messungen erhalten die Teilnehmenden Unterstützung, um ihre Herzgesundheit zu fördern und ihr individuelles Risiko besser zu verstehen. Bei auffälligen Messwerten oder auf Wunsch besteht die Möglichkeit einer telemedizinischen Beratung und weiterer medizinischer Abklärungen. Die ortsunabhängige, niedrigschwellige und einfach durchführbare Messung ermöglicht es einer großen Zahl von Personen, am Programm teilzunehmen. Die gewonnenen Erkenntnisse könnten wegweisend für künftige Vorsorgeprogramme sein und die Digitalisierung im Gesundheitswesen vorantreiben.
Seit dem Start der KFG im Jahr 2023 wurden digitale Lösungen und die Gesundheitsinnovationsplattform entwickelt, einschließlich der „Pulskontrolle“-App. Derzeit wird eine Pilotstudie an den Medizinischen Universitäten Innsbruck und Graz durchgeführt, um die neu entwickelten, digitalen Lösungen an der Zielgruppe zu testen und wertvolles Feedback einzuholen. Die auf Patientenbeteiligung basierte Pilotstudie setzt den Fokus auf Benutzerfreundlichkeit und Barrierefreiheit, um für die österreichweite randomisierte klinische Studie eine maximale Benutzerakzeptanz und Adhärenz zu erreichen.
Neben der Entwicklung der digitalen Umgebung wurden bereits Vorbereitungen für den Start der größten jemals in Österreich durchgeführten digitalen Studie getroffen, einschließlich der Ausarbeitung des Studiendesigns, der Strategien zur Teilnehmerrekrutierung, der Methoden zur Datenerhebung und der Analysepläne. Eine weitere wichtige Aktivität wird der Aufbau einer robusten IT-Infrastruktur sein, die zur Unterstützung der klinischen Studie erforderlich ist. Dies umfasst die Gewährleistung des höchsten Niveaus an Datensicherheit, die Entwicklung von Systemen zur Datenerfassung und -verwaltung sowie die Erstellung von Schnittstellen, die einen reibungslosen Betrieb und die Überwachung der Studie erleichtern.
Disease-driving mechanisms in patients with portal hypertension – „MOTION“
Start: Oktober 2023
Forschungsgebiet: Lebererkrankungen, Portale Hypertension
Lead Institution: Medizinische Universität Wien
Head: Univ.-Prof. Priv.-Doz. Dr.med.univ. Thomas Reiberger
Mentor: Univ.-Prof. Dr.med.univ. Michael Trauner
Deputy Head: Ap.Prof. Priv.-Doz. Dr.med.univ. et scient.med. Mattias Mandorfer
Kontakt: Olivia Gugler byvivn.thtyre@zrqhavjvra.np.ng, Alexandra Weisgram nyrknaqen.jrvftenz@zrqhavjvra.np.ng
Die KFG MOTION konzentriert sich auf Forschung für Patienten mit Lebererkrankungen. Durch eine genaue Untersuchung der Pathomechanismen der portalen Hypertonie (PH), der Hauptursache für schwere oder sogar tödliche Komplikationen bei Patient*innen mit Lebererkrankungen soll letztendlich deren Diagnose, Behandlung und Prognose verbessert werden. Die zusammengestellte klinische Forschungsgruppe (KFG) begann im Oktober 2023 mit der Fertigstellung der Protokolle für drei klinische Studien, die Patienten mit asymptomatischer, aber fortgeschrittener Lebererkrankung (kompensiert, cACLD: TECA-Studie) und Patienten mit symptomatischer fortgeschrittener Lebererkrankung (dekompensiert, dACLD: NOPE-Studie) und Patienten mit vaskulärer Lebererkrankung (PSVD: EXPOSURE-Studie) einschließen werden.
Die Förderung für unsere KFG ermöglichte es uns, einen optimierten Arbeitsablauf für Forschungsprojekte einzurichten und wertvolle Daten sowie Patienten-Proben für molekulare Analysen zu sammeln. Wir konnten bereits die zentrale Rolle des Renin-Angiotensin (RAS)-Signalwegs, der in der TECA-Studie therapeutisch beeinflusst wird, bei cACLD-Patienten bestätigen. Bei dACLD-Patienten könnten wird eine Hochregulation einer systemischen Entzündungreaktion, die in der NOPE-Studie gehemmt werden soll, finden. Es wurden weiters neue Patienten in die Biobankstudien der Wiener Zirrhose Studie (VICIS) und der Wiener Leber-Blutgefäßerkrankungs Studie (VALID) aufgenommen werden. Mitglieder der KFG MOTION wurden in der Gold-Standard Methodik zur Evaluierung der PH, der Messung des hepatischen venösen Druckgradienten (HVPG) geschult, der auch als primärer Endpunkt für die TECA- und NOPE-Studie verwendet wird.
Durch die Analyse unseres VICIS Datensatzes wurden neue Algorithmen für die nicht-invasive Diagnose fortgeschrittener Lebererkrankungen und PH entwickelt. Dabei zeigte sich, dass die zusätzliche Messung der Milzsteifigkeit (SSM) bestehende nicht-invasive Algorithmen verbessern könnte. Diese Studienergebnisse wurden auf der weltweit größten Leberkonferenz (EASL-Kongress 2024 in Mailand, Italien) vorgestellt und prominent in der Top-Zeitschrift Lancet Gastroenterology and Hepatology veröffentlicht. Der Arbeitsablauf zur Beurteilung von Gerinnungsprofilen bei Patienten mit PH wurde durch die Einstellung spezieller MOTION-Studienmitarbeiter eingerichtet und die ersten Datensätze werden bereits analysiert. Eine große Anzahl von Bildgebungsdaten (CT-Scans) von Patienten mit cACLD und dACLD wurden mit neu entwickelten Bildverarbeitungsprogrammen verarbeitet und mit künstlicher Intelligenz (maschinellen Lernmodellen) analysiert, was eine nicht-invasive Beurteilung des PH-Schweregrades auf Basis von Standard-Bildgebungsuntersuchungen wie dem CT ermöglicht. Schließlich trug die Expertise neu angestellter Grundlagenwissenschaftler zur detaillierten Charakterisierung von Patientenblutproben auf einen bestimmten Typ zirkulierender Blutgefäßzellen bei. Die Ergebnisse dieser Grundlagenforschung wurden im September 2024 auf einer internationalen Konferenz vorgestellt. Sobald die Protokolle der klinischen Studien durch die Europäische Medizinische Agentur (EMA) genehmigt wurden, können erste Patienten in die klinischen Studien aufgenommen werden.